Route 3 – Auf den Spuren von Kunst und Wissenschaft

Dieser Rundgang ist geprägt von den Villen berühmter Künstler sowie von Häusern bekannter Wissenschaftler. Weitere Highlights sind die Villen des Architekten Heinrich Ritter von Ferstel und der Industriellenfamilie Gutmann sowie die Cottage Apotheke.

Dauer: ca. 50 Minuten
Start: Autobushaltestelle Währingerpark
Karte: https://goo.gl/maps/95KynnecMdE2
Druckbares PDF: Route 3

Gehen Sie die Hasenauerstraße hinauf. Die Route beginnt bei der Hausnummer 1.

Hasenauerstraße 1 – Die Cottage Apotheke

Die liebevoll restaurierte Apotheke ist eine Institution im Cottage. Alte Reklametafeln an der Straßenfront und stilvolle Regale, in denen einst die heilkräftigen Essenzen in großen Glasflaschen, fein säuberlich lateinisch beschriftet aufbewahrt wurden, vermitteln ein nostalgisches Gefühl.
Das Haus wurde 1891 bis 1893 im Stil eines Schweizer Chalets als Privathaus gebaut. 1909 erwarb der Apotheker Mag. Eypeldauer die Villa und gestaltete sie zur Apotheke um. Die Apotheke blieb bis lang nach dem 2. Weltkrieg im Besitz der Familie. Das von Mag. Eypeldauer nach einer eigenen Rezeptur gemixte und in kleinen Briefchen abgefüllte Kopfwehpulver sowie die Cottage-Magentropfen wurden einst weit über die Bezirksgrenzen hinaus als Geheimtipp geschätzt.
Die Apotheke war auch Dreh- und Handlungsort von zwei Fernsehfilmen des ORF.

Richard Kralikplatz 3 – Villa von Richard Kralik

Wilhelm von Flattich, der Erbauer des alten Wiener Südbahnhofs, entwarf dieses Haus für seinen Schwiegersohn Richard von Kralik. Im Salon des Hauses fanden ab 1920 häufig Dichterlesungen, Musikveranstaltungen und Kulturgespräche statt.
Richard Ritter Kralik von Meyrswalden (1852 bis 1934) war ein österreichischer Schriftsteller und Kulturphilosoph. Er gründete 1905 als Wortführer des Katholizismus in Österreich den Gralsbund und vertrat ein von Antike, Klassik und Romantik beeinflusstes christlich-germanisches Kulturideal. In seinem umfangreichen dichterischen Werk griff er sowohl Elemente der Heimatkunstbewegung als auch Themen und Motive aus der altdeutschen Sagenwelt auf.

Weimarerstraße 65 – Villa von Maria Cebotari

Dieses vom Architekten Borkowski errichtete eingeschossige Einfamilienhaus erinnert mit seiner barockisierenden Fassade an ein kleines Schlösschen.
Die rumänische Kammersängerin Maria Cebotari (1010 bis 1949) lebte mit ihrer Familie von 1948 bis zu ihrem frühen Tod im Jahr 1949 in dieser Villa. Sie starb an Leberkrebs und hinterließ zwei Söhne. Ihr Gatte in zweiter Ehe und Vater der beiden Kinder, der Schauspieler Gustav Diessl, war bereits ein Jahr vor ihr gestorben. Die Kinder wurden 1954 von dem Künstlerehepaar Clifford Curzon und Lucille Wallace-Curzon adoptiert.
Maria Cebotari interpretierte die großen Frauenrollen in den Opern von Wolfgang Amadeus Mozart, Richard Strauss, Giuseppe Verdi und Giacomo Puccini. Als Partnerin des dänischen Tenors Helge Rosvaenge feierte sie vor allem an der Berliner Staatsoper große Erfolge, beispielsweise in La Traviata, La Bohème und Madame Butterfly. Von 1947 bis zu ihrem Tod war Maria Cebotari Mitglied der Wiener Staatsoper. 1934 wurde ihr der Titel Kammersängerin verliehen.

Weimarerstraße 72 – Villa von Leopold Schönbauer

Die Villa wurde 1882 unter der Leitung von Architekt Borkowski ursprünglich für Univ.-Prof. Dr. Claus errichtet. Leopold Schönbauer lebte fast 20 Jahre bis zu seinem Tod mit seiner Familie in der Villa.
Leopold Schönbauer (1888 bis 1933) war einer der bekanntesten österreichischen Chirurgen und Krebsforscher. Er gilt als Begründer der Neurochirurgie in Österreich und saß für die ÖVP im österreichischen Nationalrat. Schönauer studierte Medizin an der Deutschen Universität Prag, wo er 1914 sub auspiciis imperatoris promovierte. Während des 1. Weltkriegs war er zunächst Stabsarzt und arbeitete anschließend als Chirurg an der Klinik Eiselsberg.
1933 wurde Schönbauer a. o. Professor für Chirurgie und erhielt 1939 als o. ö. Professor einen Lehrstuhl sowie die Leitung der I. Chirurgischen Universitätsklinik. Nach dem zweiten Weltkrieg war er Direktor des Wiener Allgemeinen Krankenhauses.

Cottagegasse 50/Colloredogasse 24 – „Gutmann-Villa“

Die Villa des „Kohlenbarons“ Max Ritter von Gutmann wurde 1886 vom Architekturbüro des Cottage Vereins unter der Leitung von Carl Ritter von Borkowski gebaut und später vom Architekten Max von Ferstel in mehreren Phasen erweitert.
Die angesehenen jüdischen Familien der Brüder Wilhelm Wolf Isaak Gutmann (1826 bis 1895) und David Gutmann (1834 bis 1912) hatten sich zu Beginn der 1850er Jahre im damals aufstrebenden Kohlegeschäft etabliert und waren mit ihrer Firma „Gebrüder Gutmann“ durch Förderung und Vertrieb von Kohle sehr rasch zu einem der bedeutendsten Unternehmen in dieser Branche geworden. Max Gutmann, der älteste Sohn von Wilhelm, heiratete Emilie Hartmann, die Tochter des Schauspielerehepaars Hartmann (damals wohnhaft Sternwartestraße 55). Unter ihrem Namen wurde die Villa 1896 erworben.
In der Villa der Gutmanns verkehrten zahlreiche Künstler, unter ihnen beispielsweise Johannes Brahms, Josef Joachim und Hugo Thimig.

Anastasius-Grün-Gasse 52 – Villa von Gustav Tschermak von Seysenegg

Die Villa in der Anastasius-Grün-Gasse 52 wurde 1883 vom Cottage-Architekten Carl Ritter von Borkowski im typischen Stil der ersten Cottage-Bauperiode für Hermine Tschermak errichtet. Die Familie Tschermak wohnte dort bis 1930. 1939 wurde die Villa von den Nationalsozialisten „arisiert“ und 1944 von Brandbomben schwer beschädigt. Nach dem Krieg wurde sie wieder an die rechtmäßigen Vorkriegseigentümer rückgestellt.
Gustav Tschermak (1836 bis 1927) war ein bedeutender Mineraloge. 1873 wurde er zum ordentlichen Professor an der Universität Wien ernannt und zwei Jahre später zum ordentlichen Mitglied der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien gewählt. Tschermaks vielseitiges wissenschaftliches Werk umfasst mineralogische Arbeiten sowie Untersuchungen an Gesteinen und Meteoriten. Er war der erste Präsident der 1901 gegründeten Wiener Mineralogischen Gesellschaft. 1864 entdeckte er das Prinzip des isomorphen Ersatzes.
Tschermak gehörte auch dem Vorstand des Cottage Vereins an und war von 1893 bis 1912 dessen Obmann. Er setzte sich unter anderem für die Errichtung des Carl Ludwig Brunnens am heutigen Richard-Kralik-Platz ein. Seine Söhne waren der Physiologe Armin Tschermak (1870 bis 1952) sowie der Genetiker, Landwirt und Botaniker Erich Tschermak (1871 bis 1962).

Gehen Sie nun auf der Cottagegasse weiter und biegen Sie dann links in die Haizingergasse ein.

Haizingergasse 26 – Villa von Ludwig Boltzmann

In dem Haus Haizingergasse 26 wohnte einer der bedeutendsten Physiker Österreichs, Ludwig Boltzmann (1844 bis 1906). Sein Lebenswerk war die Neuaufstellung der Thermodynamik. Boltzmann war ein Verfechter der atomistischen Vorstellung, was ihm zahlreiche Gegner unter Fachgenossen einbrachte, z. B. Wilhelm Ostwald und Max Planck.
Ab 1870 beschäftigte sich Boltzmann mit Problemen der Luftfahrt; so interessierten ihn auch die Flugversuche von Otto Lilienthal. 1876 heiratete er Henriette von Aigentler (1854 bis 1938). Sie hatten gemeinsam fünf Kinder, von denen vier zwischen 1878 und 1884 in Graz zur Welt kamen. Die jüngste Tochter wurde 1891 in München geboren. Seine wissenschaftlich fruchtbarste und menschlich glücklichste Zeit verbrachte er in Graz. Er musizierte, betrieb Sport und war ein treusorgender Familienvater.
Boltzmann war bekannt für seine beißende Ironie, wurde jedoch generell als gütiger Mensch beschrieben. Er war auch musikalisch begabt und spielte sehr gut Klavier. Seine letzten Lebensjahre waren durch ein körperliches Leiden geprägt, das schließlich während eines Sommeraufenthalts mit seiner Familie im Suizid endete: Ludwig Boltzmann erhängte sich am Fensterkreuz eines Kurhotels im italienischen (damals österreichischen) Duino.

Gehen Sie nun die Haizingergasse weiter nach unten und biegen Sie links in die Weimarerstraße ein. Es folgt ein kurzer Abstecher in die Anton-Frank-Gasse.

Anton-Frank-Gasse 17 – Villa von Wolfgang Pauli

Wolfgang Pauli (1900 bis 1968) war ein bedeutender österreichischer Physiker, der 1945 den Nobelpreis für Physik für seine Formulierung des Ausschließungsprinzips erhielt. Bereits auf dem Gymnasium in Wien galt Pauli als mathematisches Wunderkind. 1918 veröffentlichte er gleich nach dem Abitur seine erste Arbeit über Hermann Weyls Erweiterung von Albert Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie (Weyls Buch „Raum-Zeit-Materie“ war im gleichen Jahr gerade erschienen). Ab 1919 studierte er Physik an der Ludwig-Maximilians-Universität München bei Arnold Sommerfeld, wo er in kürzest möglicher Zeit 1921 mit einer Arbeit über das Wasserstoffmolekül summa cum laude promovierte. Physikalisch war die Arbeit eine Enttäuschung, da sie die Grenzen des Bohrschen Atommodells aufzeigte. An diesem arbeitete Pauli auch 1921/22 als Assistent von Max Born in Göttingen weiter. 1922/23 ging er für ein weiteres Jahr zu Niels Bohr nach Kopenhagen. Von 1923 bis 1928, also in der entscheidenden „Sturm-und-Drang-Zeit“ der Quantenmechanik, war er Professor in Hamburg, bevor er an die ETH in Zürich wechselte. Ab 1935 arbeitete Pauli in den USA, wo er u. a. 1935/36 am Institute for Advanced Study in Princeton forschte und dort ab 1940 Professor war.

Weimarerstraße 50 – Villa von Heinrich Ritter von Ferstel

Heinrich Ritter von Ferstel (1828 bis 1883), Erbauer der Votivkirche und der Wiener Universität, initiierte die Gründung des Wiener Cottage Vereins und war auch sein erster Obmann. Die großzügig konzipierte einstöckige Villa in der Weimarerstraße 50 hatte er für sich selbst geplant, wohnte aber nie in dem Haus. Es ist das einzige Haus im Cottage, das Ferstel gebaut hat und hatte ursprünglich an der Südseite einen quadratischen Turm.
Die Villa beherbergte eine Zeit lang das Cottage Casino, das neben dem Spielbetrieb auch Vortragsabende, Theateraufführungen und Bälle veranstaltete. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gründete Maria Winterberg in der Villa ein Mädchenpensionat, das später unter der Leiterin Ida Kaiser zum „Cottage Töchterpensionat“ wurde. Es bot Unterricht in Fremdsprachen, allgemeinbildenden Fächern und Hauswirtschaft für ca. 40 Mädchen. Das Institut bestand auch während der nationalsozialistischen Herrschaft weiter und diente nach dem Krieg als Offizierskasino für russische und amerikanische Soldaten. Von 1953 bis 1967 war darin eine Dependance der Hauswirtschaftsschule Grinzing eingerichtet.

Sternwartestraße 35 – Villa von Erich Wolfgang Korngold

Die Villa Sternwartestraße 35 entstand 1873 in der ersten Bauphase der Cottage Anlage und wurde vom Architekten und Leiter der Baukanzlei Borkowski geplant. Sie ist ein Beispiel für den schlichten Stil der ersten Häuser des Cottage Vereins. Das Haus hatte im Lauf der Jahre mehrere Eigentümer.
Der Komponist und Dirigent Erich Wolfgang Korngold (1897 bis 1957) zog mit seiner Familie 1928 in die Villa ein, war aber häufig in Hollywood, wohin ihn 1934 Max Reinhardt eingeladen hatte, um für dessen Film „A Midsummer Night’s Dream“ die Filmmusik anhand Mendelssohns Schauspielmusik zu arrangieren. In der Folge schrieb Korngold für insgesamt 19 Filme die Musik und erhielt zwei Oscars. Korngold hatte in Wien als Wunderkind gegolten. Bereits mit elf Jahren erregte er durch die Komposition des pantomimischen Balletts „Der Schneemann“ Aufsehen, das 1910 in der Choreografie von Carl Godlewski an der Wiener Hofoper aufgeführt wurde. Zu seinen Hauptwerken zählt „Die tote Stadt“ von 1920.
Im März 1938 wurde Korngold in Hollywood vom „Anschluss“ Österreichs überrascht und blieb mit seiner Familie in Kalifornien. Seine Wiener Villa wurde „arisiert“. 1949 kehrte die Familie nach Wien zurück. Nach Schwierigkeiten wurde die Villa an die Familie restituiert. Korngold wohnte auch zeitweise wieder darin, fühlte sich aber in den USA wohler.

Gymnasiumstraße 47 – „Thimig-Villa“

Die Villa wurde 1884/85 nach Plänen des Cottage Architekten Carl von Borkowski gebaut und 1890 vom k. k. Hofschauspieler Hugo Thimig erworben. Ursprünglich war das Haus ein Sichtziegelbau, in den 1960er Jahren wurde die untere Haushälfte verputzt. Hermann Thimig, der Sohn von Hugo Thimig, und dessen Frau Vilma Degischer lebten noch bis 1982 in der Villa.
Der gebürtige Dresdener Schauspieler Hugo Thimig (1854 bis 1944) kam 1874 an das Wiener Hofburgtheater und bewohnte die Villa mit seiner Gattin Franziska und seinen vier Kindern. Er hatte als „schüchterner Liebhaber“ erste Erfolge, wechselte aber bald ins komische wie ernste Charakterfach und machte rasch Karriere. Schon 1881 wurde er zum Hofrat ernannt, 1897 führte er zum ersten Mal Regie und von 1912 bis 1917 war er Direktor des Burgtheaters, an dem er schon längst einen lebenslangen Vertrag mit Pensionsberechtigung hatte. Thimig war ein leidenschaftlicher Sammler. Seine Sammlung von Dokumenten und Gegenständen rund um das Theater bildet den Grundstock der Sammlungen des Österreichischen Theatermuseums im Wiener Palais Lobkowitz.